KLISCHEE Ahal – „LIEBESHOF“
„Das ist der Ahal, der Liebeshof der Tuareg. Er ist dem Minnehof der mittelalterlichen Rittergesellschaften in vielen Dingen sehr ähnlich. So wie die Burgen weit im Land verteilt waren, jede isoliert und einsam, so sind es auch die Lager der Tuareg. Dem Bedürfnis nach Geselligkeit und Unterhaltung an den langen Abenden entsprang der Minnehof und auch der Ahal der Tuareg“ (Fuchs 1953: 107).
Viele Mythen ranken sich um die legendären abendlichen Treffen der Imuhar, die in der Literatur als Ahal bezeichnet werden.
„Noch eine andere, nicht weniger angeregte Unterhaltung lieben diese Ritter der Wüste, wenn die Sonne untergegangen ist und der unendlich klare Himmel sich nächtlich über dem Sand der Wüste wölbt: das ist der abendliche ¸Ahal‘, die gesellige Zeltunterhaltung und der Treffpunkt der Tuareg beiderlei Geschlechts, die einen Abend mit Rezitieren von Heldenepen und mit Gesang verbringen wollen. Bei dieser Gelegenheit wird reichlich der beliebte grüne Tee getrunken, die Frauen spielen das ¸Imzad‘, [...]“(Zöhrer 1954: 59)
Noch heutzutage wird von ominösen Liebestreffen berichtet.
„Legitime Partnerschaften wurden früher im Zuge des „Ahal“, einer Art „Minnehof“, gestiftet. Diese offiziellen Feste spielten sich in den Weidelagern um ein paar hübsche junge Frauen ab. Zwar war bei diesen amourösen Versammlungen, „Arsi“, eine gewisse „Freiheiten der Sitten“, erlaubt, die aber dennoch galten gewisse Regeln. So wurden etwa Zärtlichkeiten in Form von Versgesängen zum Klang der „Imsat“, der einseitigen Tuareg-Geige, ausgetauscht. Im Zuge dieser Treffen wurden auch heimlich Treffen für den Rest der Nacht verabredet." (Friedl 2008)
BEZEICHNUNG AHAL- Erfindung von europäischen Reisenden?
Fragt man Imuhar nach der Bedeutung des Begriffes Ahal, bekommt man keine Antwort, da der Begriff unbekannt ist. Auch bei den Imascheren im Niger ist der Begriff Ahal nicht bekannt laut Casajus (2000c: 68). Es handelt sich wohl bei den früheren Beschreibungen um eurozentrische Männerphantasien.
REALITÄT
Nach wie vor treffen sich die Nomaden und Nomadinnen regelmässig am Abend und unterhalten sich. Dies ist aber Teil des Alltagsgeschehens und entspricht nicht den teils „übertriebenen“ Beschreibungen von einem „freizügigen Minnehof“.
TREFFEN AM ABEND
Nahezu jeden Abend nach der Arbeit treffen sich die Jugendlichen im Zelt einer Witwe und unterhalten sich lautstark. Die Erwachsenen treffen sich in einem anderen Zelt und trinken Tee. Die dritte Dimension - Ehan - ist der Ort der Unterhaltung. Außerhalb des Lagers in der vierten Dimension, dem grünen Tal, werden diese Treffen nicht veranstaltet und keinesfalls in der Tenere.
Beim Jugendtreff heutzutage wird nicht mehr die Imzad gespielt, sondern den digitalen Klängen einer E-Gitarre von einheimischen Künstlern aus dem Kassettenrekorder gelauscht. Die anwesenden Mädchen sowie Burschen kennen sich von klein an. Diese Treffen sind nach wie vor einfach der Ort, an dem Geschichten erzählt werden, Klatsch und Tratsch ausgetauscht wird, gelacht und sich einfach dem Amüsement nach einem harten Arbeitstag gewidmet wird.