10. Tage der Kultur- und Sozialanthropologie 23.-25. April 2015

Workshop J: Feldforschung in Extremen

 

Koordination: Anja Fischer (Universität Wien) anja.fischer@univie.ac.at

         

Freitag 24. April 2015

 

1. BLOCK

9.30 – 11.00 Uhr / Übungsraum
 

Einleitung: Das Unbequeme in der Feldforschung

Anja Fischer (Universität Wien) 

Warum setzen sich ForscherInnen einem heftigen Klima aus, begeben sich freiwillig in Gefahrensituationen oder verbringen lange Zeit fernab von Familie und Freunde? Von persönlichen „unbequemen“ Erfahrungen und Umständen der ForscherInnnen erfährt man oft nur aus den Einleitungen oder aus Fußnoten. Die Veröffentlichung der Feldtagebücher Malinowskis wird 1967 noch zum Skandal. Für diejenigen, die sich selbst einmal in Ausnahmesituation befunden haben, ist leicht verständlich, dass Fremderfahrung und Selbstwahrnehmung dialektisch miteinander verknüpft sind. So wirken sich persönlich schwierige Umstände durchaus auf Forschungsergebnisse aus.

In der Einleitung wie im Workshop geht es darum sich reflexiv und analytisch mit extremen Situationen im Feld auseinanderzusetzen und konkret aufzuzeigen inwiefern sie zum Erkenntnisgewinn beitragen können.

Feldforschung in Sahara und Sahel: vorkolonial, kolonial und postkolonial

Gerd Spittler (Universität Bayreuth) 

Feldforschung in Sahara und Sahel war und ist vielerlei Gefahren ausgesetzt, politische, gesellschaftliche, und gesundheitliche. Ich konzentriere mich hier auf die politischen Gefahren und unterscheide drei Perioden: die vorkoloniale (19. Jahrhundert), die koloniale (1900-1960) und die nachkoloniale (seit 1960). Die vorkoloniale Periode war in vielerlei Hinsicht gefährlich; viele Forscher in Sahara und Sahel fanden dabei den Tod. Sie wurden aus politischen und/oder religiösen Gründen umgebracht; noch  mehr starben an Krankheiten.  Auch die, die überlebten, hatten viele Gefahren zu überstehen. Heinrich Barth, der zwischen 1850 und 1855 Sahara und Sahel durchreiste, wurde in der Sahara von Räubern überfallen, musste sich in Timbuktu gegen islamische Fanatiker in den  Schutz eines mächtigen Scheichs begeben, lag mehrfach krank darnieder. Auch stieß er immer wieder auf Misstrauen, sei es als Christ, sei es als Spion, der im Kontext des beginnenden europäischen Imperialismus die zu erobernden Gebiete erforschte.

Während der Kolonialzeit, die mit der klassischen Periode der Feldforschung zusammenfällt, forschten die Ethnologen unter dem Schutz der englischen oder französischen Kolonialmacht. Die postkoloniale Zeit zeichnet sich für die Feldforschung durch völlig neue Elemente aus, zum Teil ähnelt sie aber auch der kolonialen, zum Teil der vorkolonialen Zeit. Feldforscher sind heute in einem vorher nie gekannten Ausmaß mit der Heimat vernetzt, sowohl beruflich wie privat. Das gibt ihnen eine Sicherheit, wie sie vorher nicht gegeben war. Ähnlich wie in der vorkolonialen Zeit sind inzwischen die politischen Risiken groß. In der Sahara drohen Entführungen, im Sahel die Verwicklung in Bürgerkriegssituationen. Die Regierungen der Herkunftsländer der Ethnologen geben Reisewarnungen heraus, die Forschungsinstitutionen verweigern die Finanzierung der Forschung.

Im letzten Teil berichte ich über meine eigene dichte Teilnahme  in Extremsituationen: Bürgerkriegssituation in Nordnigeria (Maitatsine Aufstand in Kano 1980/81), Dürre und Hungerkrise im Aïr (1984/85), Tuaregrebellionen im Aïr (seit 1990), Repressionen durch die Regierung (60er Jahre im Hausaland und 80er Jahre im Aïr).

 

Wüste Bedingungen und bedingungslose Wüste: Feldforschung im Länderdreieck Tschad, Sudan und Libyen

Meike Meerpohl (Universität Köln) 

Die Vorbereitung einer Feldforschung weicht häufig extrem davon ab, was Forschende tatsächlich im Feld vorfinden, denn hier erscheint nichts so sicher wie die Unsicherheit: auch ein Forschungsthema wie „Wege und Handel in ariden Zonen“ erscheint zunächst recht eingängig, doch politische Faktoren können diesem Thema ganz neue Dimensionen geben. Die ursprünglich geplante Region kann plötzlich aufgrund von internen Spannungen nicht mehr bereist werden und in Ausweichregionen entwickeln sich bürgerkriegsähnliche Zustände, die der Forschenden große Flexibilität und Anpassungsgabe abverlangen. Die Rolle der Forschenden bekommt unter politischen Extrembedingungen somit neue Ausmaße, auf der einen Seite der Spionage verdächtigt und auf der anderen Seite als Beraterin für internationale Organisationen, militärische Beobachter und lokale Oberhäupter gefragt. Mitten im Zusammentreffen von Flüchtlingen, Rebellen, internationalen Organisationen und Militär bekommt die Untersuchung wie ein Wüstenhandel im Länderdreieck Tschad, Sudan und Libyen im 21. Jahrhundert abläuft, was gehandelt wird, wer die Händler sind und wie sich der Handel in unmittelbarer Nähe zum Darfur-Konflikt den politischen Bedingungen anpassen muss, eine neue Brisanz. Und da teilnehmende Beobachtung als Forschungsmethode selten vom Schreibtisch aus stattfindet, kann diese eine Forschende zusätzlich extrem herausfordern. Um zu verstehen, was es bedeutet, Wüstenhandel zu betreiben, ist die Teilnahme an einer Handelseinheit von großer Bedeutung. Jedoch, was ist die größere Herausforderung – die wüsten Forschungsbedingungen der Ausgangsregion oder die unberechenbaren 1000 Wüstenkilometer auf dem Rücken eines Kamels? Häufig wird erst im Nachhinein die Frage gestellt, wie lange eine ethnologische Forschung durchführbar sein sollte, welche Gefahren tatsächlich lebensbedrohlich werden können und ab welchem Moment die Forschung vielleicht doch zu extrem ist, oder ist sie das nie?

 

11.00 – 11.30 Uhr PAUSE

 

2. BLOCK

11.30 – 12.30 Uhr / Übungsraum

Dekonstruktionen des Extremen in der Feldforschung: Normalisierungsprozesse

Gertrude Eilmsteiner-Saxinger (Universität Wien)

 25.000 Kilometer Bahnfahrten in die russische Arktis. Hanging out in männerdominierten Bergbau-, Erdöl- und Erdgasregionen. Minus 43° C in der Tundra. Verschlungene Wege mich in First Nation Dörfern im Yukon zurecht zu finden und zu lernen, gemeinsam mit der Community Forschungsziele und –strategien zu entwickeln. Wen wundert verwundertes Fragen von FreundInnen und Familie, ob dies nicht ein einsames Forscherinnenleben sei. Ist es nicht Kräfte raubend oder gar gefährlich? Diese Außensicht bedarf eines näheren Blicks. Vorbehalt gegenüber dem Anderen ist Alltagsstoff im anthropologischen Leben. Wie nehmen Anthropologie-Externe das andere Klima wahr, wie das andere männliche und indigene Setting in abgeschiedenen Regionen, wie die anderen Vorstellungen von geographischen Entfernungen? Wie habe ich zu Beginn meiner Forschungen dieses Andere, dieses Extreme erlebt und wie ging diese Andersheit in meine persönliche Normalität über, die ich sodann mit den Leuten teile, die dies Tag für Tag als ihren normalen Alltag erleben? Dieser Beitrag diskutiert Wissen und Erfahrung aus der Arbeit im Feld und zeigt mögliche Forschungsstrategien auf. Dabei wird der Versuch eine Konzeptualisierung des Extremen im Normalen unternommen.

Erforschung gewaltsamer Konflikte

Georg Klute (Universität Bayreuth) 

Einleitung zur Abschlussdiskussion: Georg Klute berichtet über seine Erfahrungen bei der Forschung zu den Rebellionen in Mali, mit einem allgemeinen Ausblick auf Forschung in der heutigen Zeit.

 

Abschlussdiskussion: Perspektiven einer Feldforschung im schwierigen Umfeld

          

 

Besten Dank auch an Patricia Hoffmann für die Fotos!

 

 

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