GENERATIONEN
Semantische Implikationen kennzeichnen Frauen und Männer der Imuhar (Tuareg) in verschiedenen Altersstufen. Es finden sich sprachliche, mimische und gestische Formen des distanzierten Respekts.
ARRAU / TARRAUT
Als Arrau (Sg.mask.) und Tarraut (Sg.fem.) werden Kinder bis zur Pubertät bezeichnet. Sie gelten als Menschen ohne Benehmen (Tkarakit) und ohne Intelligenz (Tayette). Darauf werden die Kinder immer wieder hingewiesen. Sie haben mitzuarbeiten, haben Botengänge zu tätigen und die Eltern sprechen mit ihnen vorwiegend im Imperativ.
ASCHAMUR / TASCHAMURT
Jugendliche und unverheiratete junge Menschen werden heutzutage als Aschamur (Sg.mask./engl. Ashamur; Pl. mask. Ischumar/engl. Ishumar) beziehungsweise Taschamurt (Sg.fem./engl. Tashamurt; Pl. mask. Tischumar/engl. Tishumar) bezeichnet. Der Begriff Aschamur ist der gängigen Literatur zufolge eine Ableitung vom französischen Wort für Arbeitsloser, chômeur. Die ursprüngliche Bezeichnung war Aschara (Sg.mask.)/Tascharat (Sg.fem.) laut Auskunft der Kel Ahnet. Die Bezeichnungen haben eine gewisse negative Konnotation und man könnte sie auch mit Halbstarke übersetzen. Mädchen erreichen diesen Status nach Einsetzen der Menstruation und als deutliches Zeichen tragen sie ab dann den Tesirnest. Wenn Burschen beschnitten sind, meist im Alter von sieben Jahren, und sie den Schesch zu tragen beginnen, befinden sie sich im Status des Aschamur. Mädchen wie Burschen befinden sich im Lernprozess ihrer zukünftigen Aufgaben und in einem intensiven Sozialisierungsprozess. Es wird erwartet, dass sie Tayette (Intelligenz) und Tkarakit (Benehmen) entwickeln. Die sukzessive Übernahme sozialer Kompetenz ist gesellschaftlich vorgesehen und es ergeben sich nur begrenzte, individuelle Handlungsspielräume. Sie wohnen weiterhin bei ihren Eltern und haben für diese zahlreiche Arbeiten auszuführen. (-Postnomadischer Aschamur/Taschamurt)
ALES / TAMET
Eheleute gelten einfach als Ales (Mann) und Tameí (Frau), manchmal mit dem Zusatz n ammas (mitten drin) versehen. Sie sind sehr bald verantwortlich für ihren eigenen Haushalt und treffen ihre eigenen Entscheidungen. Frauen der Kel Ahnet Nomadinnen verbringen nach der Hochzeit zwei bis fünf Jahre bei ihrer Mutter, bevor sie völlig selbständig agieren. Damit gelten sie als vollwertige Mitglieder der nomadischen Gesellschaft und werden mit entsprechendem Respekt behandelt.
AMRAR / TAMRART
Als Amrar (Sg.mask.) beziehungsweise Tamrart (Sg.fem.) werden ältere Eheleute, deren Kinder im heiratsfähigen Alter sind, bezeichnet. Mit dem Tamrart-Status nähert sich die Frau dem Status des Mannes an, das inkludiert auch zerrissene Kleidung und öfter das Bedecken des Gesichts mit einem Gesichtsschleier. Ihr hoher Status ist auch dadurch zu erkennen, dass in Anwesenheit von älteren Frauen nicht gegessen wird, keine Scherze gemacht und keine Fragen gestellt werden. Ältere Frauen verweigern oft sogar das Teetrinken mit jüngeren Frauen.
Zum Beispiel hat Nuna zwar noch keine verheirateten Kinder, jedoch hat sie den Titel der Tamrart, da sie die Leiterin der Frauen innerhalb des Zeltlagers ist. Sie wird gefragt, ob ein Umzug ansteht, in welche Richtung die Kleinviehherden morgens ziehen sollen und sie steht beratend zur Seite. Der Status des Amrar beziehungsweise der Tamrart kann durch das Erreichen eines gewissen Alters erfolgen oder durch hohe soziale Kompetenz und Führungsqualitäten erworben werden.
Sehr deutlich ist dieses Altersstufenmodell bei großen gemeinsamen Mahlzeiten zu erkennen. Dabei essen die Kinder, die unverheirateten, die jüngeren und die älteren verheirateten NomadInnen jeweils aus eigenen Schüsseln. Entlang der Generationen bilden sich zumeist auch die Gesprächsgruppen, wobei dann jedoch der Genderfaktor von Relevanz ist.