Unterschiede zwischen den Untergruppen


Die sieben Hauptgruppen der Imuhar (Tuareg) sind in mehrere Untergruppen unterteilt.

Es gibt soziale Unterschiede ZWISCHEN den Untergruppen (Sg. Tausit/Pl: Tausatin):

Kel Ulli / Ihaggaren      Vasallen / Noble  

- Kel Ulli         (Untergruppe, deren Viehzüchter früher vorwiegend Ziegen züchteten)
- Ihaggaren     (Untergruppe, deren Viehzüchter früher vorwiegend Kamel züchteten)


Zwischen den Tausatin der "Tuareg" gab es  Differenzierungen.  Es scheint so, dass mancher Tausit sich seinen Lebensunterhalt vorwiegend mit Ziegenzucht erwirtschaftete und somit auch als Kel Ulli (Menschen der Ziegen) bezeichnet wurde und andere als Ihaggaren (die Roten) benannt wurden, die mehr Kamelzucht betrieben und Raubüberfälle auf Karawanen durchführten. In der südlichen Sahara bzw. im Sahel wurden die Kel Ulli auch als Imrad (veraltert: Imghad) bezeichnet bzw. die Ihaggaren als Imascheren.



VERHÄLTNIS
Keenan (1977: 10) gibt das Bevölkerungsverhältnis zwischen Ihaggaren und Kel Ulli nach einer Angabe aus 1949 mit eins zu acht (1:8) an. Beide waren durch eine reziproke Beziehung miteinander verknüpft - ein stark interdependentes, nicht jedoch hierarchisches Verhältnis zwischen den Gruppierungen. Während die Kel Ulli durch ihre rentable Ziegenzucht finanziell abgesichert waren, waren die Ihaggaren auf Zuwendungen von den Kel Ulli angewiesen. Eine Zahlung der Kel Ulli an die Ihaggaren diente als Unterstützung und ist als Almosen oder Schutzzahlung zu sehen und nicht als Tributzahlung.


NICHT HIERARCHISCH
Stühler (1978: 86) schreibt zu den zwei „Schichten“ der Kel Ulli und Ihaggaren (Sg.: Ahaggar): „Aus dem Gesagten folgt, dass die gesamtgesellschaftliche Organisation keine objektiv festzumachende Ungleichheit der sozialen Schichten hinsichtlich ungleicher Anteile im ökonomischen, politischen und religiösen Bereich begründet, welche die Basis für die Unter- und Überordnung der Schichten zueinander bilden könnte“. Jedoch waren die Mitglieder der sozialen Gruppen nicht frei von Überlegenheitsgefühlen wie folgende Sprichwörter zeigen:

Ihaggaren:
Die Kel Ulli sind für nichts gut. Ihre Frauen reiten nicht auf Kamelen, sondern auf alten Eseln, die ihnen gleichen.

Kel Ulli:
Anesbarag hund Ahaggar (Ein Prahler wie ein Ahaggar).
 

FEUDALISTISCHE MISSINTERPRETATION VON NOBLEN UND IHREN VASALLEN
Diese sprichwörtliche Überheblichkeit führte dazu, dass die französische Militäradministration und Reisende, die vorwiegend mit den Ihaggaren verkehrten, deren Wertung ihrer gesellschaftlichen Position übernahmen und die Ihaggaren an die Spitze einer nun sozialen Hierarchie setzten. Die Ihaggaren wurden zu "Noblen" erhoben und Kel Ulli zu deren "Vasallen" degradiert. Durch die Wahl der Terminologie wurde dem komplexen Gefüge der Mantel des Feudalismus übergestülpt und die Imuhar wurden zeitlich ins Milieu des Mittelalters katapultiert. Durch diese ideologische Translation wurde die vorhandene komplexe, nicht staatlich organisierte Gemeinschaft grob vereinfacht dargestellt, in ein (überholtes) aus Europa stammendes hierarchisches Staatsmodell überführt und mit einem "König" gekrönt.

Rezente Entwicklungen in Südalgerien

Nachdem die Kolonialisten bevorzugt mit Ihaggaren (angebliche "Noble") verkehrten, setzte die französische Kolonialadministration die Ihaggaren auch als Steuereintreiber ein (Keenan 1977). Nach und nach gaben die Ihaggaren ihre recht unrentable Kamelzucht auf und wurden in den Ortschaften sesshaft. Nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei zog es auch viele Eklan in die Ortschaften. Die Gruppe der Handwerker (Enad/Inadan) wurde ebenfalls endgültig sesshaft und hat sich heutzutage vor allem auf die Schmuckherstellung spezialisiert.

Nach der Gründung des Nationalstaates Algerien, verloren gerade die Ihaggaren immer mehr an Bedeutung. Die immer schon reicheren Tausatin der Kel Ulli betrieben grossteils die Ziegen- und Kamelzucht in den Wüstenregionen. Schwere Dürren veranlassten auch die Kel Ulli, sich in den Ortschaften anzusiedeln. Jedoch nach den Dürren, begaben sich wiederum viele Kel Ulli in die Wüstenregionen um mobile Viehzucht zu betreiben.

Da eine grosse Fleischnachfrage aus den stetig wachsenden Ortschaften besteht, ist der Absatz aus der Viehwirtschaft der Kel Ulli gesichert.

Das reziproke Verhältnis zwischen Kel Ulli und Ihaggaren besteht nicht mehr. Es gibt (und gab) sowohl mächtige Gruppierungen der Kel Ulli sowie der Ihaggaren.

 

 

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