ERNÄHRUNG 

ESSEN UND TRINKEN : TETATE ED TESASE
 

Hauptbestandteile der täglichen  Ernährung bei den Imuhar (Tuareg) Nomaden und Nomadinnen sind Milch, Brot und Fleisch. Heutzutage werden auch KEINE Wurzeln, Samen, Früchte, Körner oder Beeren mehr gesammelt, sondern viele Grundnahrungsmittel aus den Ortschaften bezogen.

Typische Mahlzeiten im Alltag:
Am Morgen wird normalerweise nur Milch und grüner Tee mit viel Zucker getrunken. Zu Mittag gibt es ein Brot (Tagella), das im Sand gebacken ist. In kleine Stücke gerissen, übergießt man es mit Milch und isst es so. Nach Sonnenuntergang gibt es wiederum eine frisch gebackene Tagella, diesmal mit warmer Tomaten-Soße übergossen.


Aman iman, Ach isudar. – Wasser ist Leben, Milch ernährt.

Dieses bekannte Sprichwort der Imuhar (Tuareg) beschreibt sehr gut die Bedingungen, unter denen die Imuhar leben.
Einerseits weist es auf das geographische Umfeld – Trockengebiet – hin, in dem sie leben und in dem die Beschaffung von Wasser eine wichtige Rolle spielt. Anderseits geht es auf die ökonomischen Bedingungen ein, da Milch für ViehzüchterInnen ein Grundnahrungsmittel darstellt.
 
GETRÄNKE

Wasser

 Agelmam/ Wasserstelle am Anfang eines Tales

Das Trinkwasser wird aus Brunnen (Anu) oder Wasserlöchern (Agelmam) entnommen. Bei Brunnenwasser handelt es sich oft um klares Wasser, jedoch kann es vorkommen, dass es leicht salzig schmeckt. Bei Wasser aus Wasserlöcher handelt es sich um "abgestandenes" Regenwasser und dieses Wasser ist zumeist trüb.

Transport
Früher wurde das Trinkwasser in Tierhäuten transportiert. Da es heutzutage in alten Autoreifenschläuchen transportiert wird, hat es oft einen intensiven Gummigeschmack. Falls die Wasserstelle weiter vom Zeltlager entfernt ist, dann ist es die Arbeit der Männer das Wasser mit Kamelen zu holen. Wenn die Wasserstelle in der Nähe ist, dann ist es die Arbeit der Mädchen das Wasser mit Eseln zu holen.

Tee/Kaffee

Das Trinken von Tee ist kein Luxus bei Imuhar (Tuareg), sondern ist Teil des Alltagsgeschehens. Es handelt sich um starken grünen Tee, der mit viel Zucker gesüsst ist und in kleinen Gläsern serviert wird.

Zubereitung
Circa drei Teile Wasser werden mit einem Teil Teeblätter in einer kleinen Kanne auf dem Feuer aufgekocht. Nach längerem Kochen wird der Tee in eine weitere kleine Kanne  geschüttet und dann mindestens ein Teil Zucker dazugegeben. Der Tee wird nun immer zwischen der Kanne und einem kleinen Glas oder Becher hin und her geschüttet, sodass der Zucker schaumig wird. Wenn genug Schaum erzeugt wurde, dann wird der Tee nochmal erwärmt und der Tee in kleinen Gläsern mit einer Schaumkrone getrunken. Die Teeblätter werden dann mindestens noch einmal, meist zweimal aufgebrüht und getrunken.
(Schaumherstellung)

Meist im Saharatourismus wird  in Zusammenhang mit dem Teegenuss der Imuhar ein Sprichwort kolportiert, dass die drei Teedurchgänge mit dem Tod, dem Leben und der Liebe vergleicht. Jedoch ist dies kein Sprichwort der SaharanomadInnen, da Imuhar (Tuareg) z.B. nicht den Tod als süss bezeichnen würden. Davon abgesehen, wird die Aussprache des Wortes für Tod vermieden und es gibt  im Tamahaq  kein direktes Wort  für die Liebe.
Heutzutage wird auch immer mehr stark gesüsster Kaffee getrunken.

Milch
Kommt man in ein Nomadenlager auf Besuch, wird als erstes eine Schüssel mit Milch gereicht. Für Imuhar gilt die Milch als Basis der Ernährung, da sie gleichzeitig als Getränk und als Mahlzeit eingesetzt wird. Sie dient ausschließlich dem Eigenbedarf (Klute 1992). Bei den Kel Ahaggar bedeutet das Verschütten von Milch Unheil. Die Frauen haben die Kontrolle über die Milchökonomie und so das wichtigste Element der Subsistenz der NomadInnen in ihren Händen. Während Ziegen- und Schafsmilch auch zu Käse und Butter weiterverarbeitet wird, trinken die NomadInnen die Kamelstutenmilch frisch, da sich Kamelmilch auch nicht weiterverarbeiten lässt.

SPEISEN

Einerseits ernähren sich die SaharanomadInnen von selbst produzierten Speisen wie Milchprodukte oder Fleisch und anderseits erwerben sie Lebensmittel wie Mehl und Trockentomaten in den Ortschaften.

Butter
In einem Ziegenledersack stellen die Nomadinnen durch kräftiges Schütteln Butter aus Ziegenmilch her. Diese Ziegenbutter ist flüssig und wird vor allem bei Gastmählern gegessen.
Butterherstellung

Käse
Imuhar-Frauen verarbeiten Ziegenmilch zu lang haltbarem Trockenkäse.  Aus Dromedarmilch lässt sich weder Butter noch Käse produzieren.
Imuhar-Nomadinnen können aus Buttermilch einen Trockenkäse (Aules/ Pl. Iwelsan) herstellen, der zerbröselt und mit Wasser  und Dattelstücke vermischt im Sommer konsumiert wird. Dieser Käse hat die Form eines Camemberts.

Herstellung von Aules (Buttermilchkäse).

Der Takkamart wird aus frischer Ziegenmilch hergestellt und ist ein scheibenartiger Trockenkäse (ca. 10/20 cm). Dem Frischkäse wird durch Einrollen in eine Strohmatte die Flüssigkeit ausgepresst und danach wird der Käse zum Trocknen in die Sonne gelegt. Dieser Takkamart wird hauptsätzlich im Niger hergestellt. Dieser Käse ist sehr fettreich, da der Milch nicht das Fett zur Butterherstellung entzogen wurde.

 
Tagella  (Brot aus dem Sandbackofen)
Imuhar (Tuareg)-Nomaden und Nomadinnen bauen heutzutage kein Getreide an oder sammeln Körner, sondern erwerben  das Mehl für ihr Brot  in den Oasen.
Im Nomadenlager backen nur Frauen das Brot im Sand aus groben Mehl, Wasser und etwas Salz.Bei dem Mehl handelt es sich um eine fertige Mischung von nicht reinweissem, grob-gemahlenen Getreide. Das Mehl wird in eine Schüssel gegeben und mit etwas Wasser und einer Prise Salz mit der rechten Hand zu einem Teig geknetet. Wenn der Teig zu trocken wird, gibt man wieder etwas Wasser dazu. Eine "gute" Tagella wird von den Nomadinnen bis zu 30 Minuten lang durchgeknetet. Männer backen auf Reisen eine Tagella, die nur rasch durchgeknetet ist.
Während der Teig geknetet wird, brennt ein Holzfeuer nieder. Dann wird die Glut zur Seite geschoben und an der Feuerstelle eine Kuhle geformt. In diese Kuhle (Abatul) wirft die Nomadin den Teig und überdeckt ihn mit etwas Sand und der Glut. Circa nach einer halben Stunde dreht sie das Brot in der Glut um und kurz danach ist das Brot fertig. Nun wird vom Brot  der Sand abgekratzt und der Laib gewaschen.
Eine fertige Tagella ist circa 40 cm breit und 8 cm dick.
Das kleingerissene Brot / Tagella (fr.: Taguella) wird entweder mit Milch, mit Tomatensosse oder /und mit flüssiger Ziegenbutter kombiniert. Heutzutage wird auch Pflanzenöl verwendet.

Soße

Die Frauen zerstampfen getrocknete Tomaten, die in den Oasen erworben werden, und kochen das Tomatenpulver in Wasser mit etwas Salz. Nicht jeden Abend findet man in der Soße auch Fleisch.

Die Familie isst die Mahlzeiten mit einem Löffel gemeinsam aus einer Schüssel vor dem Zelt. Die Nomadin  ist für die Nahrungsversorgung verantwortlich und bäckt täglich zweimal Brot im Sand. Die Nomaden können Reis und Nudeln auf den lokalen Märkten erwerben. Jedoch nur manchmal, an sehr kalten Wintermorgen, kocht die Nomadin neuerdings Nudeln oder Reis für ihre Kinder, die mit Milch übergossen gegessen wird. Wenn die Zubereitung der Mahlzeit am Abend schnell gehen sollte, z.B. bei einem Umzug, dann kocht die Nomadin auch mal Nudeln oder Reis. Grundsätzlich     wird aber Brot immer bevorzugt. Statt der aufwendig hergestellten Ziegenbutter verwenden Nomadinnen heutzutage auch oft schon günstiges Pflanzenöl, das in den Oasen erworben wird.

Fleisch/Innereien

Imuhar Nomaden und Nomadinnen essen vorwiegend gekochtes Ziegenfleisch. Männer schächten die Ziegen und schneiden den Kopf und die Füsse ab. Dann wird das Fleisch und die Knochen über die Halsöffnung entnommen. So bleibt die Haut im Ganzen erhalten und die Frauen stellen daraus Säcke her. Das Fleisch samt Knochen wird in einem grossen Topf mit etwas Tomatenpulver und Salz auf einem Feuer gekocht.
Nach der Essenszubereitung wird der Kopf der Ziege in die noch heisse Glut geschoben und  gegart. Das Fleisch und die Organe des Schädel werden erst am nächsten Tag, meist von den Kindern, gegessen. Der Darm und der Magen werden entweder gleich mit dem Fleisch gekocht oder am nächsten Tag seperat gekocht.

Almufuf
Die Leber und das Herz werden auf das Feuer gelegt und  gegrillt. Danach werden sie in kleine Würfel geschnitten und mit netzartigem Bauchfell (Fett) umwickelt.  Die Würfel werden auf einem Spiess  aufgefädelt und nochmal kurz über dem Feuer gegrillt. Dies wird Almufuf genannt und als Vorspeise gereicht.

Konservierung
Wenn nicht das ganze Fleisch gleich gekocht wird, dann legen die Nomadinnen es zum Trocknen auf kleinere Bäume. Das Fleisch wird so konserviert und als Trockenfleisch portionsweise die nächsten Tage in der Tomatensosse mitgekocht.

Kamelfleisch
Nur bei Hochzeiten wird auch Kamelfleisch zubereitet, welches von den Frauen gekocht wird und dann von Männern in der Tende (grosser Mörser) zerstampft wird und unter die Tagella gemischt wird.

 

Konsumierung
Das Fleisch wird mit der Tagella zusammen gereicht. Während mehrere Personen um die Schüssel mit Tagella sitzen, hat eine Person die Schüssel mit dem Fleisch, zerteilt das Fleisch und wirft je ein Stück reihum vor eine Person in die Schüssel.  Es wird erwartet, dass man nur aus dem unmittelbar vor sich befindlichen Teil der Schüssel isst.

Indem man den Löffel in die Schüssel legt, zeigt man, dass man noch weiter essen wird. Wenn man den Löffel mit dem Griff vor sich in den Sand steckt, bedeutet dies, dass man fertig mit dem Essen ist.
Zum Schluss lösen meist ältere Nomadinnen noch das Mark aus den grossen Knochen und verspeisen es.
Bei einer kleinen Familie essen alle gemeinsam aus einer Schüssel. Bei einer grösseren Familie isst die Mutter mit den Töchtern und der Vater mit den Söhnen aus einer Schüssel.

Festmahl

Die Festmahlzeit und die Mahlzeit bei Besuch ist immer die Tagella mit Fleischsoße und Ziegenbutter. Je mehr Ziegenbutter über die Tagella gegeben wird, desto schmackhafter wird die Tagella empfunden. Jede Frau besitzt ein Fläschchen flüssiger Ziegenbutter. Da die Herstellung der Butter sehr aufwendig ist, stellt die Butter einen wertvollen Besitz dar, dessen Verwendung zu besonderen Anlässen erfolgt. Welche Nachbarin wieviel Butter zum Gastmahl dazu gibt, demonstriert jeweils ihr Verhältnis zum Gast. Die Zubereitung des Festmahls kann drei Stunden dauern.
Die Nachbarinnen helfen der Gastgeberin, und gemeinsam wird die Tagella in kleine Stücke gerissen. Das Fleisch und die Innereien kochen derweil in einem großen Topf.

Ist das Essen fertig, erfolgt die Zuteilung der Fleischstücke meist durch junge Männer. Hier wird darauf geachtet, dass der Gast und die Männer die besten Stücke erhalten. Frauen bekommen die Reststücke. Auch wenn Frauen die Aufteilung selbst vornehmen, erfolgt die Zuteilung der Fleischstücke nach dem gleichen Prinzip. Versammelt sich eine größere Gruppe, essen Männer und Frauen getrennt. Jeweils fünf bis sechs Personen essen aus einer Schüssel, wobei eine Person das Fleisch zerkleinert und reihum zuteilt. Der Abwasch erfolgt mit etwas Wasser und Sand.



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