Linguistische Anthropologie
(Linguistic Anthropology)
“… a definition of language is always, implicitly or explicitly, a definition of human beings in the world”
(Williams 1977: 21).
Linguistische Anthropologie ist das Studium der Rolle der Sprache und anderer semiotischen Ressourcen im sozialen Leben des Einzelnen und der Gesellschaft.
Folgt man der Geschichte der Studien zur Sprache in der Anthropologie, erkennt man drei paradigmatische Ansätze laut Duranti (2003).
Erster paradigmatische Ansatz:
Die Anthropologische Linguistik, mit Boas als Hauptvertreter, hat als erstes einen sprachwissenschaftlichen Schwerpunkt der Forschung gelegt. Sie erforschte vor allem die Grammatik, das Vokabular und die Klassifikation der Sprachen anderer Ethnien. Jakobson (1960) beschäftigte sich erstmals intensiv mit der Funktion der Sprache und er erläuterte die (möglichen) konstitutiven Faktoren eines jeden Sprechaktes, um die verschiedenen Sprachfunktionen zu definieren. Sprache wurde in dieser Tradition vor allem als Grammatik verstanden und so entstand die These von der linguistischen Relativität, die auch als Saphir-Whorf-Hypothese bekannt ist (Hill/Mannheim 1992). Dabei wird die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Sprache und Denken gestellt und erkannt, dass nicht allen Sprachen die außersprachliche Wirklichkeit in der gleichen Weise interpretieren. Die ersten Studien legten die Basis für die Erforschung der Sprache als Werkzeug für eine kulturelle und historische Analyse.
Zweiter paradigmatische Ansatz:
Das zweite Paradigma kann man als Linguistische Anthropologie oder Soziolinguistik bezeichnen. In den 1960er Jahren entstand die Ethnographie des Sprechens (Ethnographie der Kommunikation). Hymes (1979) betrachtete dabei erstmals die Sprache und das Sprechen im anthropologischen Kontext. Ferguson`s und Gumperz`s (1960) Interesse galt den sozialen Dialekten und linguistischen Varianten und aus ihren Studien entstand die Soziolinguistik.
Die Vertreter des zweiten Paradigmas untersuchten vor allem den Kontext der Situation, die Muster von Sprechaktivitäten und die Sprechgemeinschaften mit dem Schwerpunkt auf Sprache als kulturelle Ressource (Duranti 2003: 327).
Dritter paradigmatische Ansatz:
Die neuesten Tendenzen und damit das dritte Paradigma rücken die Rolle der Sprache im sozialen Umfeld in den Mittelpunkt. Ein Ansatz, Sprachideologie zu erforschen, untersucht vor allem die Vorstellung, wie Kommunikation als sozialer Prozess wirksam wird (Woolard/Schieffelin 1994: 55). Es werden linguistische Formen mit Ideen zu Wissen, Identität, Gruppencharakter und Schönheit verbunden und analysiert (Gal 1998: 329). Ein Zweig dieser neuen Entwicklung untersucht Sprachkontakte. So untersuchen zum Beispiel historische Studien die sprachlichen Auswirkungen durch den Kolonialismus und die Missionsarbeit (zum Beispiel Makihara/Schieffelin 2007). Bei den Untersuchungen werden einerseits in Mikroanalysen genauestens Transkriptionen studiert und andrerseits in Makroanalysen Studien in metapragmatischer Hinsicht vorgenommen.
Zunehmend spielt dabei auch die Semiotik (Eco 1991) eine tragende Rolle und die verschiedenen semiotischen Ressourcen werden in die Analyse integriert.
So auch in folgender Studie:
Die Untersuchung der Sprache und des Sprechens in Verbindung mit sozialen Aspekten bei NomadInnen ist der Hauptfokus im Buch „Sprechkunst der Tuareg: Interaktion und Soziabilität bei Saharanomaden“ und damit zählt diese Arbeit zum neuesten Paradigma in der linguistischen Forschung innerhalb der Anthropologie laut Duranti (2003).