ZELTE : EHAN
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Das Zelt der Imuhar (Tuareg) ist der zentraler Lebensraum der Frau, in dem der Mann nur Gast zu sein scheint. Das Zelt wird benannt nach dem Namen der Ehefrau, und sie ist auch die Besitzerin des Zeltes. Lässt sich ein Mann von seiner Frau scheiden, verliert er nicht nur die Ehefrau, sondern auch das Zelt als seine Unterkunft. Er ist dann gezwungen, zu Verwandten zu ziehen. Das Zelt ist der Mittelpunkt der Arbeitswelt der Nomadin. Sie ist direkt daran gebunden, während der Nomade bei seiner Arbeit mit den Dromedaren oft tagelang ohne Zelt unterwegs ist. Das Zelt wird allgemein als Ehan/ Pl: Ihanan bezeichnet.
- Nomaden in Algerien (früher auch Libyen) verwenden Giebelzelte.
- Nomaden in Mali verwenden Pyramidenzelte.
- Nomaden im Niger verwenden Kuppelzelte.
Mittlerweile ist die Trennung nicht mehr so strikt und so z.B. verwenden Nomaden im Niger auch Giebelzelte.
ZELTE DER IMUHAR (ALGERIEN, LIBYEN): Giebelzelte
Drei Zelt(dach)arten ï¬ndet man bei Imuhar Nomaden (Tuareg):
Ahakit / Zelt aus Leder
(Foto aus Nicolaisen/Nicolaisen 1997)
Das traditionelle Lederzelt wird von den Frauen aus rot eingefärbtem Ziegenleder hergestellt und hat eine Grundfläche von circa 3 x 5 Metern. Diese Zeltplane wird dann über eine Holzkonstruktion gespannt. Eine Matte aus Strohhalmen dient als Windschutz.
LEDERZELTPLANE
Über alles wird eine Plane aus zusammengenähten Ziegenhäuten gespannt. Fünf Bahnen á sieben Häute ergeben ein grosses Zelt. Die Herstellung erfolgt in Kollektivarbeit der Frauen, wobei die neue Besitzerin des Zeltes für die Verpflegung der Helferinnen zuständig ist. Zum Schluss wird die Plane noch mit Butter und rotem Ocker imprägniert. Diese Imprägnierung muss dann regelmässig erneuert werden. Teilweise werden die Ziegenhäute von den Nachbarinnen gespendet.
Ein Ahakit findet sich jedoch kaum noch in Gebrauch bei Nomaden und Nomadinnen.
Esedekan / Zelt aus Stoff
Die Unterkonstruktion aus Holz ist identisch mit der des Ahakit, jedoch ist das Dach aus alten Kleidungsstücken genäht. Ein Esedekan wird vorwiegend in den Sommermonaten verwendet, da es als kühl gilt.
Algadun / Zelt aus Leinen
Es handelt sich hier um die neueste Variante: ein Leinenzelt mit circa 3 x 5 Metern Grundfläche, das in den Oasen erworben wird. Die Leinenplane ist zwar mit einer „Tür“ ausgestattet, diese wird aber entfernt oder hochgebunden. Die Plane wird wiederum auf die traditionelle Holzunterkonstruktion gespannt. Dies ist momentan die bevorzugte Art der Unterkunft.
WINDSCHUTZ
Efi
Ein Eï¬ ist lediglich ein Windschutz. Entweder wird die Leinenplane des Algadun nur als Wand aufgebaut oder ein alter Tesirnest (Wickelgewand) wird im Halbkreis als Windschutz aufgestellt. Diese Art des "Zeltes" wird in den Übergangsmonaten verwendet.
Konstruktion
Bei der Zeltkonstruktion der ersten drei Zeltarten handelt sich um ein dreiachsiges Giebelzelt. Es basiert auf drei Achsen (zwei Pfosten mit einem Balken verbunden). Die mittlere Achse ist etwas höher als die beiden seitlichen Achsen, an denen auch das Gepäck hängt. Dieses Gestell ist meistens aus Holz und darüber wird dann die Zeltplane gespannt.
Einrichtung
Die Einrichtung des Zeltes wird individuell gehandhabt. Jedoch ist sie in ihrer Grundstruktur immer ähnlich. Die rechte Seite des Zeltes wird der Frau zugeordnet, hier beï¬ndet sich im vorderen Teil die Küche. Alle Kochutensilien bewahrt man hier auf, die Mahlzeiten werden zubereitet und die Milch wird hier gelagert. Meist beï¬ndet sich auch hier ihr Sattel (Tachawit), auf dem tagsüber die Schlafdecken verstaut sind. Die linke Seite im Zelt ist die des Mannes. Hier lagert er seinen Sattel (Tarik) und die Sachen, die er für die Arbeit mit den Dromedaren benötigt. Kinder schlafen mit einer Decke direkt auf dem Sand in der rechten Hälfte des Zeltes, während die Eheleute links schlafen. Der Kopf ist dabei nach Süden gewandt. Auch die Zeltöffnung ist nach Süden ausgerichtet und steht immer offen.
TAWSET/TIWASATEN (Auch Bezeichnung einer Gesamtgruppe der Tuareg)
Bodenmatte aus Afazo-Grashalmen mit Lederriemen verbunden und mit Ledersaum. Dient als Sitz- und Schlafmatte. Heutzutage nur noch wenig in Gebrauch.
ESABAR (WINDSCHUTZMATTEN)
Als Windschutz werden Matten in den Sand gesteckt. Diese Esabar/Isebran sind aus Afazo-Gashalmen hergestellt, die mit Lederriemen verbunden werden. Es werden oft Muster eingflochten und die Matte sind am oberen Rand mit Lederfransen dekoriert. Dieser Paravent ist ca. 1 Meter hoch und kann mehrere Meter lang sein. Diese Matten werden vor allem unter das Lederzelt gestellt. Sie sind auch noch heute in Zusammenhang mit dem Esedekan zu finden oder werden frei als "Gästezimmer" aufgestellt.
TEMSI (FEUERSTELLE)
Dreh- und Angelpunkt der Lebenswelt Zelt ist die nah davor liegende Feuerstelle. Darauf wird Tee gekocht, darin backt man das Brot und die Milch wird darauf angewärmt. Das Feuer dient nicht nur als Kochstelle, sondern auch als Beleuchtung, als Heizung und als Besucherempfangsplatz. Dabei sitzt der Mann auf der linken Seite beim Zelt und seine Frau rechts von ihm. Männliche Besucher werden links neben dem Mann plaziert, während weibliche Gäste sich neben die Frau setzen.
Das Feuer kann „sprechen“. Wird sehr gutes, großes rotes Akazienholz verwendet, handelt es sich um einen hohen Gast. Kleine Holzzweige verwendet man, wenn es ein alltäglicher Gast ist. Wird immer wieder Holz nachgelegt, heißt das, der Gast möge bleiben. Legt man kein Holz mehr nach, ist das eine Aufforderung an den Gast, zu gehen. Die Feuerstelle ist immer respektvoll zu behandeln.
ZELTE DER IMUSCHAR (MALI): Pyramidenzelte
Die Imuschar (Tuareg aus Mali) Nomaden verwenden oft auch Zelte mauretanischen Ursprungs.
Es handelt sich um ein viereckiges Zelt mit hohem Mittelpfosten. Die vier Seiten bilden sich aus 3-5 schrägen Pfosten, die nach Aussen abgespannt werden. Darüber wird eine Zeltplane aus alten Kleidungsstücken oder Leinenplanen gezogen. Das Zelt kommt ohne Querbalken aus.
ZELTE DER IMASCHEREN (NIGER): Kuppelzelte
EHAN
Bei den Unterkunft der Imascheren (Tuareg aus dem Niger) Nomaden handelt sich um ein stabiles Kuppelzelt, das mit Matten belegt ist. Heutzutage wird zusätzlich oft noch eine Plastikplane über die Matten gespannt zum Schutz vor Regen. Es handelt sich um ein schweres Zelt, welches mit einem stabilen Bett ausgestattet sind. Da die Nomaden im Ayr auch meist nur einmal im Jahr zu einem neuen Platz übersiedeln, sind die Zelte oftmals zusätzlich mit einem Zaun zum Schutz u.a. vor der Herde ausgestattet.
KONSTRUKTION
Es handelt sich um eine fünfachsige Konstruktion. Die mittlere Achse ist der höchste Rundbogen, links und rechts flankiert von zwei niedrigeren Bögen. Die Aussenachsen sind je zwei niedrige Pfosten mit Querstange. Rechtwinklig zu den Achsen werden dann mehrere Dachstangen befestigt, über die die grossen ovalen Strohmatten gelegt werden.
AUSSTATTUNG
TADABUT/ TIDBA (BETT)
Zerlegbares Holzbett aus zwei langen Stangenelementen ("Rollen"), deren Enden tellerförmig sind. Zwischen den Beiden werden mehrere Querstangen gelegt und darauf wiederum Matten gelegt. Gesamtmass ca. 170/170 cm.
ASNEM/ISENAM (GABELSTÜTZEN)
Ein Pfosten mit einer bogenförmigen Gabel wird immer paaweise aufgestellt. Hier werden die Schlafdecken tagsüber aufbewahrt.
TAGETTAWT TAN KASSAN (SCHALENHALTER)
Dreiarmige bogenförmige Halterung auf einem Holzpfosten. Insgesamt ca. 150 cm hoch in die die Milchschüssel gestellt wird.
Teilweise Auszüge aus: Fischer, Anja 2008: Nomaden der Sahara, Reimer: Berlin.
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