Postnomadische Lebensweisen

"Today, many Tuareg who would describe themselves as 'nomads' actually live for part, if not all of the year, in zeribas (reed huts) or even mud-brick houses.
For them 'nomadism' is more of a cultural than a geographical or residential concept: it is more a state of mind. For instance, many of the Dag Rali who are now settled more or less permanently in villages have described themselves to me as 'nomads', using the term almost synonymously with the terms Imuhagh or Kel Ahaggar."
(Keenan 2003: 165)

Aus der extensiven Weidewirtschaft, zum Beispiel der Imuhar (Tuareg) Nomaden, heraus hat sich eine postnomadische Lebensweise entwickelt, in der ehemalige Nomaden nun beispielsweise als Lkw-Fahrer, als Landwirtschaftshelfer oder als Führer in der Tourismusindustrie tätig sind. Sie agieren dabei oft transnational, gleichzeitig bleiben sie ihren nomadischen Wertvorstellungen treu, die zur Quelle individueller und kollektiver Identität geworden sind (Büssow 2011, S. 164).

Es ergeben sich Formen der nomadischen Selbstrepräsentation, in der urbanisierte Bevölkerungsgruppen auf das Ideal des nomadischen Lebens zurückgreifen, um den ihrer Ansicht nach moralischen und ökonomischen Verfehlungen der städtischen Lebensformen ein Korrektiv entgegenzusetzen (Prager 2012, S. 3f.).

        Ischumar / Tischumar

Jugendliche und (unverheiratete) junge Menschen werden heutzutage als Aschamur  (Sg.mask./engl. Ashamur; Pl. mask. Ischumar/engl. Ishumar / fr.: Ishoumar) beziehungsweise  Taschamurt (Sg.fem./engl. Tashamurt; Pl. mask. Tischumar/engl. Tishumar) bezeichnet. Heutzutage werden alle jungen Menschen mit dem Begriff bezeichnet sei es auf dem Land oder in der Stadt. Der Begriff Aschamur ist der gängigen Literatur zufolge eine Ableitung vom französischen Wort für Arbeitsloser, chômeur. Die ursprüngliche Bezeichnung war Aschara (Sg.mask.)/Tascharat (Sg.fem.).  Die Bezeichnungen haben eine gewisse negative Konnotation und man könnte sie auch mit Halbstarke übersetzen.

Im urbanen Umfeld der Sahara findet man nun junge „Tuareg“ Frauen (Tischumar) und Männer (Ischumar), die versuchen, ihren eigenen Weg zu gehen. Basierend auf ihrem gemeinsamen nomadischen Ursprung kommt es zu einer besonderen Identitätsbildung, in der das Nomadentum mit Nostalgie kombiniert wird.
In dieser postnomadischen Lebensweise werden die vermeintlich nomadischen Werte und Tugenden zu einem Ehrenkodex und hier werden Mobilität, Flexibilität, Solidarität und Improvisationsvermögen zu verbindenden Attributen. Nach wie vor werden die engen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Nomaden und Sesshaften gepflegt.

  Ischumar auf dem Titelbild von "Tuareg Society within a Globalized World"

SYMBOLE
Ein typisches Symbol der Gruppenzugehörigkeit der Tuareg Männer ist der Schesch (Turban). So tragen auch die jungen Ischumar den Schesch auf dem Kopf oder drapieren zumindest das Schesch-Tuch lässig um den Hals. Die Lieder der jungen Menschen, klassisch mit Imzad (einsaitiges Streichinstrument) oder Tende (Trommel) Begleitungen, werden nun von der E-Gitarre begleitet und in rockiger Manier singen die Ischumar auch von der vermeintlichen Freiheit des Nomadentums. Dieser sogenannte Saharablues wird mittlerweile schon weltweit sehr gut vermarktet.



TÄTIGKEIT
Flexibel reisen junge städtische Tuareg zwischen den Ländern umher und betätigen sich zum Beispiel als fliegende Händler. Hier handeln sie am liebsten mit Konsumgütern wie High-Tech-Geräten aus Nigeria oder Kraftfahrzeugen aus Benin. Die jungen Tischumar handeln hingegen mit von Frauen begehrten Konsumgütern wie Kleidung, Schmuck und Parfüm. Weite Strecken werden auch als Wanderarbeiter zurückgelegt, um zum Beispiel als Lkw-Fahrer, Landarbeiter oder Wächter entlang der Mittelmeerküste tätig zu sein.

POSTNOMADISCHE BEWEGUNGSMUSTER
Bourgeot (1986:158) bezeichnet die Migration von ehemaligen Nomaden als "umherirren". Kohl (2009:14) beschreibt das Bewegungsmuster der Ischumar als anarchische Mobilitätsform, die nicht dem traditionellen Bewegungsmuster der Nomaden entspricht. Klute (2013:242ff.) verdeutlicht, dass die heutige Migration der urbanen Bevölkung sich nach herkömmlichen (nomadischen) Wanderungsmuster vollzieht. 
Die Arbeitsmigration nach Libyen und Algerien entspricht (entsprach) oftmals regulären saisonalen Muster, in dem sie sich nach winterlichen Touristenströmen und Erntezeiten richtet(e).


 

 

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