KAMELE IN DER SAHARA
Das Bild eines verschleierten Reiters auf seinem Kamel in einer Wüstenlandschaft wird gemeinhin mit der Gesellschaft der Imuhar / Tuareg assoziiert. In vielen Standardwerken über Imuhar /Tuareg ist diese Abbildung eines dunkelblau gekleideten Kamelreiters vorhanden, wenn nicht auf dem Umschlag, so doch im Innenteil. Dabei ist die (romantische) Vorstellung von Tuareg immer eng mit vorwiegend weißen Kamelen verbunden (Keenan 1977:9).
ZUCHTTIERE
Das Kamel (Camelus dromedarius; Dromedar) wird von Imuhar (Tuareg) Nomaden vor allem für den Transport und nicht zur Fleischproduktion gezüchtet. Die Zucht von Kamelen ist ein langwieriges Unterfangen, da eine Stute erst nach zwölf bis dreizehn Monaten ein Fohlen wirft und es dann ungefähr zehn Monate betreut (Spittler 1998:111). Die meisten Familien besitzen eine Gruppe von Kamelstuten mit ihren Fohlen und einen Kamelhengst. Die kleinen Fohlen werden im Nomadenlager tagsüber am Vorderfuß angebunden, während die Stuten mit dem Hengst in die Umgebung zum Grasen getrieben werden.
MILCH
Am Abend werden die Tiere zurückgetrieben, und noch bevor die Fohlen länger säugen können, werden sie weggedrängt und die Stute gemolken. Die Milch der Kamele dient dem unmittelbaren Konsum, da sie nicht zu Butter oder Käse weiterverarbeitet werden kann.
Eine Dromedarstute gibt nur Milch, wenn vorher Ihr Fohlen getrunken hat. Beim Melken muss das Fohlen auch in der Nähe bleiben, sonst gibt die Stute keine Milch. Eine Dromedarstute hat vier Zitzen und gibt maximal 7 Liter Milch am Tag. Die Milch hat 50 Prozent weniger Fettanteil als Kuhmilch, hat aber wesentlich mehr Vitamine, Kalzium und Mineralien.
Die Imuhar Nomaden benötigen vor allem zwei Arten vom Kamelen: Transport- und Reitkamele.
TRANSPORTKAMELE:
Als Transportkamele werden ausschließlich männliche, kastrierte Kamele verwendet. Es werden vor allem robuste Tiere mit schweren Gelenken und breiten Sohlen bevorzugt, wobei die Fellfarbe keine wesentliche Rolle spielt. Ein starkes Kamel kann bis zu 200 Kilo Last tragen (Nicolaisen – Nicolaisen 1997:133). Diese speziellen Transportkamele werden vor allem bei Übersiedlungen oder zum Wassertransport benötigt, falls die Wasserstelle weit entfernt vom Zeltlager ist.
REITKAMELE:
Als Reitkamele werden langbeinige Tiere mit schlanken Fesseln und schmalen Sohlen bevorzugt. Auch hier kommen nur männliche, meist kastrierte Tiere zum Einsatz. Das entscheidende Kriterium für die Schönheit eines Tieres ist seine Fellfarbe. Sehr weiße Kamele werden eindeutig bevorzugt und haben auch einen deutlich höheren Wert.
BELIEBTESTES FORTBEWEGUNGSMITTEL – DER EBAYDAG
Bei den Imuhar Nomaden gibt es verschiedenste Arten von Kamele zum Beispiel kleine, große, stämmige, schlanke, weisse, beige, braune, junge oder alte Kamele. In der Sprache des Tuareg existieren über 70 Begriffe um ein Kamel näher zu spezifizieren (Foucauld – Calassanti-Motylinski 1984). Männer wie Frauen bevorzugen aber das Reiten auf einem langbeinigen, rein weißen Kamel, dem Ebaydag. Dieses Kamel wird nicht nur als reines Nutztier angesehen, sondern ist ein Statussymbol, das seinem Reiter oder Reiterin Prestige verleiht (Keenan 1977:21; Dostal 1989:39; Bernus 1990:166; Fischer 2012b). Der Ebaydag ist bei den Kel Ahnet Nomaden das teuerste Fortbewegungsmittel und kann den fünffachen Preis eines normalen Kamels erreichen.
VERSCHÖNERUNGEN
Bestimmte Körperverzierungen können den Wert eines Tieres noch steigern.
So gelten drei Hautausstülpungen in einer Reihe auf dem Nasenrücken des Tieres als besonders schön. Durch einen Schnitt in die Haut und einer speziellen Abbindetechnik kann man diese warzenähnlichen Gebilde erzeugen. Manchmal findet man auch nur eine Hautausstülpung, jedoch gelten drei in einer Reihe als besonders schön.
Auch die Ausformung eines Kinnlappens, der einem Ziegenbart ähnelt, gilt als schön.
An einem speziellen Brandzeichen am Hals oder an der Flanke des Tieres ist sein Besitzer eindeutig zu erkennen. Zwei senkrechte, parallele Striche sind das Brandzeichen der Gruppe der Kel Ahnet und zusätzliche Zeichen definieren den Besitzer. Schon Kinder spielen gerne mit Kamelfiguren. Dafür wird aus einem flachen Stein die Form eines Kamels geschlagen und auch hier sind die Kinder besonders stolz auf eine weiße Figur. In Liedern und Gedichten der Tuareg werden immer wieder die weißen Kamele gepriesen, wobei es sich hier um bestimmte, besonders schöne Tiere oder es sich um eine Umschreibung für eine konkrete Person handeln kann. Nur wenige Tiere sind von den Tuareg als Metapher für eine schöne Person in Verwendung wie die Gazelle, die Antilope, das Pferd und das Kamel (Claudot-Hawad 2009:6).
Ausschnitte aus / weiterführende Informationen in:
Mobilität in der Sahara
Tuareg Nomaden und ihre Reitkamele in der algerischen Wüste
in
2012: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien (MAGW), Band 142
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