Imuhar Gesellschaft in der Kolonialzeit

EROBERUNG

  • 1830  Eroberung von Algiers durch französische Truppen
  • 1845 Vormarsch vom Senegal bis zur Grenze Malis durch französische Truppen
  • 1862 Vertrag von Ghadames zwischen Kel Azjer und Franzosen
  • 1881 niedergeschlagene bewaffnete Expedition Flatters Richtung Tamanrasset
  • 1894 Eroberung  von Timbuktu durch französische Truppen
  • 1899 Eroberung  von In Salah
  • 1904 Treffen von französischen Militäreinheiten von Norden (Gerneral Laperrine) und Süden an heutiger Grenze zwischen Algerien und Mali

Die koloniale Unterwerfung der Imuhar (Tuareg) erfolgte relativ spät.
Die Eroberung des Tuareggebietes durch die französische Armee war von enormen militärischen Anstrengungen und hoher Gewalt geprägt. Sie zog sich über mehrere Jahrzehnte hin. So drängten die Franzosen gleichzeitig von Norden und von Westen in die Zentralsahara vor. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts errichten die Franzosen einen Kolonialstaat in der Tuareg Region bis auf das libysche Gebiet, welches vom Osmanen bzw. italienischen Militär besetzt war.

Eine der Hauptgründe der Franzosen für die Eroberung der Zentralsahara war die Sicherung der Handelswege von Westafrika nach Frankreich.

Mit der Annexion erfolgte die Errichtung einer kolonialen Administration - die französische Kolonie Algerien bzw. Franz.- Westafrika. Bewährte Knotenpunkte der Tuareg NomadInnen und ihre Verbindungen dienten der Etablierung invasiver Macht. Ohne Rücksicht auf die vorhandenen „elastischen“ Ränder der Hauptgruppen der „Tuareg“ wurden auf europäischen Reißbrettern entworfene Grenzlinien fixiert. Starre Grenzen mit neu errichteten Grenz- und Kontrollpunkten, die als klare und eindeutige Manifestation der europäischen Staaten in der Sahara zu sehen sind, entstanden.

Gleichzeitig ebneten die französischen Besatzer den Zugang für die arabische Bevölkerung aus dem Norden und die Bevölkerung der Hausa, Bambara, usw. aus dem Süden ins Gebiet der Imuhar/Imuschar/Imascheren.

MILITÄRPOSTEN TAMANRASSET
Ursprünglich war die Ortschaft Abalessa ein, wenn nicht der wichtigste Handelsknotenpunkt in der Region, genau zwischen dem Gebiet der Taytoq und der Kel Ahaggar gelegen. Die jetzige Stadt Tamanrasset, westlich des Ahaggar-Gebirges platziert, wurde unter kolonialer Militäradministration errichtet und permanent gefördert. In knapp 100 Jahren ist sie von 42 BewohnerInnen im Jahr 1909 (Keenan 1977: 359) auf 150.000 EinwohnerInnen (Keenan 2006: 920) mutiert. Ein artifiziell ausgearteter Knotenpunkt schaffte ein Zentrum mit magnetischer Wirkung, das vor allem Nicht-Imuhar anzog und weiterhin anzieht. Traditionell überregionale Verbindungspunkte wie die Oase Abalessa sind in eine periphere Lage geraten.

  Tamanrasset Heute

ATOMBOMBENVERSUCHE
Koloniale Hinterlassenschaft in Algerien ist nicht nur die Errichtung von Städten. Auch ein Atombomben-Testgelände im Süden der ehemaligen französischen Provinz Algérie blieb zurück. Dieses strahlende Erbe wurde kurz vor der Unabhängigkeit Algeriens 1962 geschlossen. Das Atombomben-Versuchsgelände liegt keine 170 Kilometer nördlich von Tamanrasset, bei In Eker, und grenzt direkt an das Gebiet der Kel Ahnet an. Hier wurden mehrere unterirdische Atombombenzündungen durchgeführt. Bei Reggane wurde sogar 4 Kernwaffen oberirdisch gezündet, eine davon 4 mal stärker als die Atombombe von Hiroshima. Dabei wurde ein grosses Gebiete der Tuareg verstrahlt. Es wurden selbst 300 französischen Soldaten bewusst intensiver Strahlung ausgesetzt.

AUFSTÄNDE GEGEN DEN KOLONIALSTAAT

  • 1. Aufstand (Mali)
  • Jan 1916 Amenukal Fihrum ag Al-Insar der Iwellemmedan (Mali) ruft zum Aufstand auf
  • Mai 1916 Niederschlagung des Aufstandes
  • 25.Juni 1916 Ermordung von Fihrum

Das sich keine weiteren Hauptgruppen dem Aufstand gegen die Franzosen anschloss wurden die Iwellemedan recht schnell besiegt.

  • 2. Aufstand (Niger)
  • Dez 1916 Beginn des „Kawsan-Aufstandes“ (Niger) mit der 80-tägigen Besetzung von Agadez
  • Jan 1917 Franzosen mit britischen Truppen aus Nigeria greifen Agadez an
  • Jan 1917 Rückzug von Kawsan mit seinen Gefolgsleuten in Air
  • März 1917 Massakar an über 100 islamische Schriftgeletzten in Agadez
  • März 1918 letzte Aufständige werden aus Air vertrieben
  • Jan 1919  Exekution von Kwasan in Südlibyen durch türkische Truppen

Der Aufstand hat als Militäraktion der Bruderschaft der Sanusiyya begonnen, dem sich die Imascheren im Air anschlossen.
 

VERTREIBUNG DER HAUPTGRUPPE TAYTOQ
Bevor das französische Militär eindrang, gab es drei eigenständige Hauptgruppen der Imuhar im heutigen Algerien: Kel Azjer, Kel Ahaggar und Taytoq (Foucauld; Duveyrier 1864). Der Leiter einer solchen Hauptgruppe war der Amenukal (Pl.m.: Imenukalin). 1905 wurde Moussa ag Amastane als Amenukal der Kel Ahaggar und Sidi ag Keradji als Amenukal der Taytoq-Gruppierung vom Vertreter des französischen Militärs in In Salah offiziell bestätigt (Keenan 1977: 86). Die Taytoq-Gruppierung, die  Imuhar im Westen, waren, im Gegensatz zu den Kel Ahaggar, jedoch immer im Widerstreit mit den Besatzern. Im Juni 1918 wurde der Amenukal der Taytoq-Gruppierung im Ahnet einfach von der Militäradministration abgesetzt und alle Tausatin (Untergruppen) im Ahnet dem Amenukal der Kel Ahaggar offiziell untergeordnet, schlimmer noch, die Taytoq wurden von ihrem Land vertrieben und waren gezwungen, nach Süden Richtung Niger abzuwandern (Keenan 1977: 90). Die NomadInnen der Kel Ahnet blieben.  Da sich die beiden Imenukalen (Leiter) auch uneinig waren, war es leichter für die Besatzer, eine zentrale Herrschaft zu installieren. Ein massiver Eingriff in das soziale, kulturelle und territoriale Gefüge einer Gesellschaft wurde durchgeführt. Diese artifiziell geschaffene Unterordnung und Vertreibung einer vormals autonomen Bevölkerungsgruppe rund um die Taytoq-Gruppierung, zu denen u.a. die Taytoq, die Kel Ahnet, Tegehe-n-Efis, Ikuttisen gehörten, war ein rücksichtsloser Übergriff zur Etablierung invasiver Macht.

 Ehemaliges Gebiet der Taytoq NomadInnen

KONSTRUKTION DER HAUPTGRUPPE IFORAS
Die französischen Besatzer änderten auch die politischen Machtverhältnisse im Adar Gebirge in Nord Mali. So wurde aus einer unbedeutenden sozialen Untergruppe der Tuareg, nämlich den Iforas, durch die Unterstützung der französischen Kolonialisten die mächtigsten Gruppe in Nord Mali. Diese stark religiöse Gruppierung, sieht sich, anders als alle anderen führenden Hauptgruppen der Tuareg, als Nachkommen von dem Propheten Mohamed. Gerade die neusten Aufstände in Nord Mali stehen im engen Zusammenhang mit dieser künstlichen Erhöhung der Iforas (siehe dazu Klute 2013: Tuareg-Aufstand in der Wüste)

BODENSCHÄTZE
Noch in der Kolonialzeit begann die Suche nach Bodenschätzen. So wurde im Tuareg Gebiet nach Erdgas, Erdöl, Gold und Uran gesucht.

GEMEINSAMER STAAT
Am Ende der Kolonialzeit gab es Bestrebungen der Franzosen einen „Tuareg“ Staat einzurichten, jedoch nicht um die Gesellschaft zu vereinen, sondern um kompakt die  Bodenschätze in der Sahara auszubeuten. 

UNABHÄNGIGKEIT

  • 1960 Mali
  • 1960 Niger
  • 1962 Algerien

Die neuen artifiziellen Nationalstaaten errichteten Machtzentren wie Tripolis und Algier tausende Kilometer entfernt vom Gebiet der Imuhar/Imascheren/Imuschar – ein zerschnittenes Gefüge der Sahara-NomadInnen, in die Peripherie abgedrängt, blieb zurück.

 

Fortsetzung Geschichte Nationalstaaten

 

 

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